13/2017 21 Die kreisrunden, an grosse Wähenbleche erinnernden Seerosenblätter könnten dank ihrer Struktur sehr wohl ein Kleinkind tragen, was doch fast an Märchenwelten erinnert. Erny trocken. Was bleibt, ist nur die Knolle, aus der sich nach einer Ruhephase die Blüte schieben sollte – wenn die klimati- schen Bedingungen stimmen. Seerose mit eigenem Haus Das neue Tropenhaus ist nicht die einzige «Baustelle», die in Ernys Zeit als Betriebsleiter fällt. 1998 wurde das imposante Viktoriahaus nach einer umfassenden Sanierung, die mehr eine Rekonstruktion war, wieder in Betrieb genommen. Sei- nen Namen verdankt der zentralsymmetrische malerische Kuppelbau der grössten Seerose der Welt – wieder so ein Su- perlativ. Für diese Pflanze, Victoria regia, mit den an riesige Backbleche erinnernden schwimmenden Blättern, wurde das Haus 1889 errichtet. 1950 war das Viktoriahaus mit dem kreisrunden Wasser- becken von acht Metern Durchmesser in so schlechtem Zu- stand, dass die Seerosenzucht aufgegeben werden musste. Das Gewächshaus verkam zur Abstellkammer. «Eine richtige Gruft war das», erzählt Bruno Erny. Seit fast 20 Jahren kann nun wieder alljährlich das Wunder verfolgt werden, wie aus einem fingerbeerengrossen Samenkorn in kürzester Zeit zuerst die riesigen Laubblätter an die Wasseroberfläche wachsen – ein Blatt kann ohne Weiteres einen Durchmesser von anderthalb Metern haben – und sich später die grossen Seerosen entfal- ten. Im Herbst dann ist die ganze Schau vorbei, die Pflanze aus dem Amazonasgebiet stirbt ab. Die Monate Mai/Juni sind bei vielen Gar- tenbegeisterten beliebt zum Besuch des Botanischen Gartens in Basel. Denn dann blühen in den Merian-Gärten die Iris der Gräfin Zeppelin. Es ist die grösste öffent- lich zugängliche Sammlung historischer Bartiris in Europa. Rund 1500 Arten, viele davon nicht mehr im Handel erhältlich, blühen im Frühsommer auf weitläufigen Beeten. Helene von Stein-Zeppelin rette- te ihre Irissammlung durch den Zweiten Weltkrieg und schenkte sie 1969 dem da- maligen Botanischen Garten Brüglingen, den heutigen Merian-Gärten. Mit seinem Mühlemuseum, seinen Zier- pflanzensammlungen und ProSpecieRara- Sorten im Gemüse- und Obstanbau und in der Tierhaltung bildet die Anlage am Stadtrand von Basel eine interessante Ergänzung zum Botanischen Garten am Spalentor. Die Merian-Gärten Das Viktoriahaus bildet das Zentrum des «neuen» Botani- schen Gartens Basel. Denn dieser wurde, nach seiner Grün- dung 1589 am Rheinsprung, zweimal verlegt, bis er 1898 auf dem ehemaligen Spalengottesacker seinen heutigen Stand- ort fand. Inzwischen ist er allerdings durch den Neubau der Universitätsbibliothek um einen Drittel beschnitten. Noch ein Superlativ: Basel hat mit rund 8000 Quadratmetern den kleinsten botanischen Garten der Schweiz. Es ist ein Garten voller Geschichten. Unterstützt vom Ver- ein Botanischer Garten geben Fachleute an immer sehr gut besuchten Feierabendführungen Einblick in die faszinierende Pflanzenwelt, informieren über Artenschutzprojekte und stel- len einheimische und exotische Pflanzen vor. Zum Beispiel das Nebelwald-Schutzgebiet «Dracula Forest Reserve» in Ecuador, das als kleines Teilstück auch im Basler Tropenhaus Eingang gefunden hat. Hier wachsen – im «ewigen Oktober» wie Erny sagt – die Draculaorchideen mit ihren als Schutz vor dem Regen nach unten geneigten Blüten. Oder die Urnenpflanze (Dischi- dia pectenoides), ein Epiphyt, der in Symbiose mit Ameisen lebt, die in seinen ballonartigen Blättern hausen. Zeitgleich mit der Eröffnung des Botanischen Gartens Basel am Spa- lentor wurde auch das Viktoriahaus für die grösste Seerose der Welt, der Viktoria regia, gebaut. 1998 wurde es umfassend restauriert. In der g’plus-App und ­ im E-Paper finden Sie noch einen Youtube-Film über die botanische Senation bei der Titanwurz. Interaktiv