18 21/2017 BRANCHE «Denn Erde bist du, und sollst zu Erde werden.» Auf einem Schweizer Friedhof hat man nach der Bestattung 20 bis 25 Jahre Zeit, um dieser Aufforderung aus 1. Mose, 3.19 Folge zu leisten. Unter normalen Bedingungen sind vom erdbestatteten Körper nach fünf bis sieben Jahren nur noch Knochen übrig. Dass es auf einem Drittel der Schweizer Friedhöfe anders aus- sieht, hat einerseits mit den sehr aufgeräumten Friedhöfen zu tun, andererseits mit dem Boden, in dem diese angelegt sind. Bei etwa einem Drittel der Schweizer Friedhöfe sind diese völlig ungeeignet und so nass, lehmig und schwer, dass Friedhofs- gärtner beim Ausheben der Gräber regelmässig selbst nach zwanzig Jahren noch statt auf Knochenreste auf bestens er- haltene sogenannte Wachsleichen stossen. Bei der Anlage von Friedhöfen wird vielerorts kein Gedanke daran verschwendet, ob der Boden am gewählten Ort über- haupt geeignet ist. In nassem Lehmboden jedoch bricht der Zer- setzungsprozess häufig vorzeitig ab und es bilden sich stattdes- sen die gefürchteten Fettwachse, die den Körper konservieren. Sargholz hat Einfluss Nicht nur die Böden, auch das Holz des Sarges hat Einfluss auf diesen Prozess. Eichensärge, womöglich noch mit Kunst- harzen behandelt, mit wasserundurchlässigen Materialien ausgeschlagen und mit Kunststoffkissen versehen, machen leicht einmal Probleme, wie uns ein Friedhofssanierer berichtet. Zudem wird Eichenholz in Feuchtigkeit hart und verfault dann nicht. Nicht umsonst steht ganz Venedig seit Jahrhunderten auf Eichenpfählen. Unbehandeltes Tannen- oder Fichtenholz und Kissen aus Naturfasern dagegen sind sehr gut geeignet. Sie zerfallen im Grab über die Jahre rückstandslos. Nur ist das nicht allen Be- stattern recht, sie verdienen auch an möglichst teuren Särgen. Passende Pilze helfen Zudem braucht es für die Zersetzung von Sargholz die gleichen spezialisierten Pilze und Mikroorganismen, die diesen Job auch im Wald erledigen. Nur sind die Schweizer Friedhöfe derart aufgeräumt, dass jegliches Laub und organisches Material sofort entfernt werden, um das erwartete pietätvolle Erschei- nungsbild zu wahren. Mit dem Problem ist die Schweiz nicht allein. Auch in Deutschland ist es allgegenwärtig, etwa im Schwarzwald. Dazu kommt die Vorliebe mancher deutscher Gemeinden, Grabkammern anzulegen. Auch dort verrottet das Sargholz nicht immer wie gewünscht. Einem deutschen Grabkammerhersteller liess das Problem keine Ruhe. Auf der Suche nach einer Lösung wandte er sich an Francis Schwarze von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa wegen dessen Ruf als «Pilzpapst». Es müsse doch möglich sein, der Verrottung des Holzes mit holzzersetzenden Pilzen auf die Sprünge zu helfen. Schwarze machte sich an die Arbeit. Auch er vermutete, dass die ausgesprochen «aufgeräumten» Friedhöfe eine der Ursa- chen sein könnten. «Die fehlende organische Substanz führt zu einer reduzierten Pilzaktivität und somit zu einer Abnahme der Menge an infektiösem Material, also Pilzsporen und Pilzmyzele im Boden. Zwar sind die Sporen holzzersetzender Pilze in der Luft allgegenwärtig, aber für eine erfolgreiche Infektion des Sargholzes muss neben einer bestimmten Qualität auch eine angemessene Menge infektiöses Material vorliegen», meint Schwarze. «Das Fehlen dieser infektionsfördernden Faktoren ist vermutlich die Ursache, weshalb Holzsärge in Grabkammern sehr langsam oder gar nicht verrotten.» DEN WALD INS GRAB HOLEN Jeder dritte Schweizer Friedhof ist auf ungeeignetem Boden angelegt. ­Früher oder ­später hat das böse Folgen: Leichen verwesen innerhalb der Ruhezeiten nicht mehr vollständig. Woran das liegt – und wie etwas mehr «Wald im Grab» der Verwesung helfen kann. Text: Alexandra von ­ Ascheraden, Zweitverwendung «Wald und Holz 2017»; Bild: JardinSuisse Der Boden von rund einem Drittel der Schweizer Friedhöfe ist so lehmig und nass, dass Körper und Särge nach 20 Jahren noch weitgehend erhalten sind.