21/2017 13 Emotionalität versus Sachverstand Sechs Jahre sind seither vergangen. Im Juni dieses Jahres klet- terten die Baumpfleger nun das zweite Mal in die Heitern- Linden. «Wir machen gerade den Aufbauschnitt. Danach kann man die Bäume wieder mehrere Jahre machen lassen.» Zwei Wochen lang kletterten die Männer ob Zofingen. Ein Laie erkennt heute kaum noch, dass die Bäume vor nur sechs Jahren einmal in einem äusserst schlechten Zustand waren. Wann das nächste Mal geschnitten wird auf dem Heitern, ist noch nicht klar. Murer rechnet damit, dass man fünf bis zehn Jahre damit warten kann. Entscheidungen zu treffen, ist für Baumpfleger nicht immer einfach. Vor allem, wenn es darum geht zu beurteilen, ob ein Baum stehen bleiben darf. Auf der einen Seite steht die Fach- kompetenz und die Erfahrung, auf der anderen Seite die Emo- tionalität. Man kann also schnell zum Sündenbock werden. «Deshalb macht es Sinn, bei schwierigen Fällen auch mal einen externen Baumsachverständigen dazuzuholen», so Mu- rer. Einen Baumsachverständigen wie beispielsweise Timo Scheurer aus Winterthur. Auf die Vitalität kommt’s an «Wir kommen häufig als Letzte und entscheidende Instanz. Oft holen uns Gärtner oder Baumpfleger. Sie sichern ihre Entscheidung bei heiklen Angelegenheiten gerne ab», sagt Timo Scheurer. Letzten Herbst hat der Winterthurer ein Baumsachverständigen-Büro ins Leben gerufen. Mit seiner Firma Vitaltree berät er unter anderen die Stadt. Scheurer hilft zum Beispiel bei der Entscheidung, ob ein Baum noch erhaltenswert ist. Zu so einem Fall nimmt uns der Baum- sachverständige mit. Winterthur soll ein neues Polizeigebäude erhalten. Vom Bau tangiert sind mehrere 90- bis 110-jährige Eschen und eine Säuleneiche. Timo Scheurer begutachtet die Bäume visu- ell und sucht nach Defekten: «In der Regel benötige ich nur einfaches Werkzeug zum Klopfen, Graben und Stochern. In Zweifelsfällen benutze ich ein Bohrwiderstandsmessgerät, um die Substanzgüte des Holzes zu überprüfen.» Das reiche nor- malerweise aus, um einen Baum kritisch zu bewerten und sei schnell erledigt. Neben der Bruch- und Standsicherheit eines Baumes spiele auch seine Entwicklungsfähigkeit eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung. An diesem Tag besteht für zwei der Eschen wenig Hoffnung. Bei allen anderen zeichnen sich gute Erhaltungsmöglichkeiten und vertretbare Schutzmassnahmen ab. Eine abschliessende Antwort kann Timo Scheurer aber erst nach der kompletten Analyse geben. Als Letztes wird die Sachlage für den späteren Bericht fotografiert. Begutachten, Klopfen, Messen, Stochern: Der Baumsachverständige Timo Scheurer beurteilt Bruch- und Standsicherheit sowie die Entwicklungsfähigkeit eines Baumes.