21/2017 19 Er machte sich in jahrelanger Arbeit daran, die passende Mischung in Form eines mit Pilzen durchwachsenen Mine- ralsubstrats zu entwickeln, das die Verrottung der gängigen Sarghölzer in Schwung bringen sollte. Ein Plastikbeutel ge- füllt mit Substrat, wird auf den Sargdeckel geklebt, denn es muss im direkten Kontakt mit dem Holz stehen. Von dort aus durchwachsen feine Pilzstränge das Holz und es zerfällt nach wenigen Jahren. Noch vor zwanzig Jahren wähnte man die Ursache in «verwesungsmüden Böden» und glaubte, dass nach drei- maliger Belegung eines Grabes die Verwesungskraft des Bodens aufgezehrt sei. Umweltwissenschaftler Ivo Willi- mann ging dann im Auftrag des Zürcher Bestattungsam- tes dem Problem der Verwesungsmüdigkeit buchstäblich auf den Grund. «Verwesungsmüdigkeit ist ein Begriff, der wissenschaftlich jeglicher Grundlage entbehrt», stellte Willimann bald fest. Es ist vielmehr so: In ungeeigneten Böden und Särgen wird der Verwesungsprozess gestört. Um diesen Prozess zu verstehen, muss man wissen, dass die körpereigenen Enzyme nach dem Tod weiter aktiv bleiben. Sie sorgen dafür, dass sich die Zellwände und somit die Struktu- ren aufzulösen beginnen. Die Darmbakterien können sich vom Bauchraum aus im ganzen Körper ausbreiten und sorgen für Fäulnis. Dadurch verflüssigt sich das Weichgewebe. Die Flüssigkeit wird als «Leichenwasser» ausgetrieben. Diese Enzym- und Bakterienaktivität verläuft bei hoher Temperatur schneller als bei tiefer. Wird eine Leiche im Boden bestattet, laufen die Prozesse langsam ab, da sie sich in kühler Umgebung befindet. Schwierig wird es, wenn Staunässe hinzukommt. Das Wasser wirkt wie eine Kühlflüssigkeit und führt die Wärme weg, die zur weiteren Zersetzung nötig wäre. Der Prozess gerät dann ins Stocken. Die langkettigen Fettsäuren werden nicht abgebaut, sondern verfestigen sich zu einem Fettpanzer. Es entsteht eine Wachsleiche, die auch nach einem Jahrhundert noch kaum verändert ist. Daher ist es wichtig, dass die Fäulnisprodukte ab- laufen können und sich nicht etwa in einem mit Plastik ausgeschlagenen Sarg ansammeln. Wie Wachsleichen entstehen Mittlerweile hat Schwarze der Zofinger Firma Mycoproducts eine Lizenz zu Vermarktung und Vertrieb des Produkts unter dem Namen «FS Rapid Rot» erteilt. Geschäftsführer Martin Basler hat nach eigenen Angaben je ein Dutzend deutsche und Schweizer Friedhöfe auf seiner Kundenliste. Freimütig räumt er ein: «Das Produkt wird uns nicht ge- rade wie warme Weggli aus den Händen gerissen.» Er führt es darauf zurück, dass das Thema natürlich ein unpopuläres sei, mit dem sich keine Gemeinderatswahl gewinnen lasse. Schliesslich trete das Problem erst zwanzig Jahre später wieder zutage, wenn ein Grab neu belegt werde. «Immer wieder bekommen wir Anfragen von Leuten, die di- rekt vor Ort arbeiten und unangenehme Erfahrungen machen. Aber sobald im Gemeinderat oder in einer Friedhofskommis- sion die Finanzierung durchgesetzt werden muss, scheitert das Projekt, wird auf die lange Bank geschoben oder an den nachfolgenden Verantwortlichen weitergereicht.» Die potenziellen Kunden können im Grunde anhand einer Schweizer Bodenkarte ermittelt werden. Wo es nasse, lehm- haltige Böden hat, sind mit grosser Wahrscheinlich auch die Friedhöfe vom immer gleichen Problem betroffen. Manche kommen um eine grundlegende Sanierung ihrer Grabfelder durch einen professionellen Friedhofssanierer nicht herum, der die Böden drainiert und neu aufschüttet. Die Kosten dafür gehen allerdings schon bei kleinen Grabfeldern schnell in die Hunderttausende. In leichteren Fällen ist es vielleicht schon mit um die 200 Franken für einen kleinen Plastikbeutel voller Pilzsubstrat pro Sarg getan. Friedhofsgärtner im Ausstand Er habe allerdings schon Verträge abschliessen können, weil die Friedhofsgärtner gewissermassen geschlossen in Ausstand getreten seien. «In einer Gemeinde haben die Friedhofsgärtner gesagt, die Räumung von Gräbern mit erhaltenen Leichen sei derart belastend für sie, dass sie künftig nicht mehr in solche Gräber steigen würden, wenn nichts geschehe», berichtet Basler. Die Produktion von «FS Rapid Rot» erfolgt unter Laborbedin- gungen in speziell angemieteten Räumlichkeiten bei der Empa. «Sehr kleine Gemeinden bestellen einfach einen einzelnen Beutel, wenn jemand gestorben ist. Für grössere Bestellungen jedoch brauchen wir entsprechende Vorlaufzeit», sagt Basler. Die Jahresbestellmengen werden aufgrund der Erfahrungen der Gemeinden ermittelt. Diese mittelfristige Abschätzung der Menge ist wichtig, da die Herstellung des Substrats etwa drei Monate dauert. Die Natur lässt sich nicht gern beschleunigen. Dafür ist das Pilzsubstrat dann ebenso lange lagerbar. „Dünger ist unsere Kompetenz. Die greenSys ist die tragfähige Brücke zu unseren Kunden.“ Philipp Hauert, Hauert HBG Dünger AG Anzeige