20 13/2017 BRANCHE Der Botanische Garten Basel, der älteste der Schweiz und einer der ältesten Europas, ist mehr als eine grüne Oase. Es ist eine viel genutzte Lehr- und Forschungsstätte des Botanischen Instituts der Universität Basel. Die Pflanzenvielfalt in den grossen Gewächshäusern und den üppig bepflanzten Aussen- anlagen bilden mit rund 7000 Arten ein breites Spektrum der wichtigsten Lebensräume weltweit ab. Das «grüne Schulzimmer» des Botanischen Instituts wird an diesem leicht bewölkten Frühsommertag rege genutzt: Die Tische und Bänke auf dem Platz zwischen den Gewächshäusern sind gut besetzt von Studierenden des nahen Botanischen Insti- tuts, vor sich Tablet und Notizbuch. Für Bruno Erny, den Leiter des botanischen Gartens, könnte der Lehrauftrag der Anlage ruhig erweitert werden: «Wenn bereits Schüler ganz praktisch an die Natur herangeführt würden, nähme das Interesse an den naturwissenschaftlichen Fächern an der Uni noch zu.» Aus Waldkauz wird Stadtkauz «Kinder» gibt es allerdings in der Anlage schon: Wer Glück hat, entdeckt im Geäst eines der mehr als hundert Jahre alten Baumriesen plötzlich junge Waldkäuzchen, eng aneinander gekuschelt, aber keineswegs sehr scheu. Vor 20 Jahren hat Bruno Erny damit begonnen, Eulennistkästen aufzuhängen und hat damit ein Biotop für Waldkäuze geschaffen, mitten in der Stadt. Es sind nicht die einzigen Tiere in der Anlage. Da huschen Eidechsen vorbei, im Tropenhaus fliegen exotische Vögel durch den dichten Pflanzendschungel. Die Titanwurz, ein Publikumsmagnet Seit fast 30 Jahren leitet Bruno Erny, der sich schlicht als «Obergärtner» bezeichnet, den Botanischen Garten Basel und hat es geschafft, die Anlage mit dem alten Baumbestand pro- minent ins Bewusstsein der Bevölkerung, man könnte fast sagen, der Welt, zu rücken. Und zwar mit einer Pflanze, die so seltsam ist, dass sie einem alten Märchen mit Waldgeis- tern und Einhörnern entsprungen scheint. An Ostern 2011 entfaltete die Titanwurz (Amorphophallus titanum), eine Re- genwaldpflanze aus Sumatra, erstmals seit 75 Jahren ihren anderthalb Meter grossen Trichter und der knapp drei Meter hohe Kolben wurde sichtbar. Tausende Besucher verfolgten das Ereignis live, auch TV-Stationen wie CNN, BBC und Al Jazira berichteten über die botanische Sensation. 2012 und 2014 wiederholte sich das Spektakel um die einzige blühfähige Titanwurz der Schweiz – jetzt aber ist vorerst Schluss. Das 50 Jahre alte Tropenhaus hat in baulicher, energetischer und tech- nischer Hinsicht ausgedient und soll ersetzt werden. Nur: Das dauert. Der vorgesehene Baubeginn wurde von 2016 auf 2019 verschoben – nicht aus finanziellen, mehr aus planerischen Gründen. Und so lange macht die blühfähige Titanwurz im Papiliorama in Kerzers Station. Ob sie da zum Blühen kommt, wird sich weisen. Eine zweite Titanwurz steht noch im alten Tropenhaus, gut drei Meter hoch mit einem gefleckten Stiel, der ganz oben von dekorativen Blattwedeln geschmückt ist. Irgendwann in den nächsten Wochen wird die ganze Pflanze verwelken – «wie eine Kartoffelstaude, die einzieht», meint DAS GRÜNE HERZ VON BASEL Breite Strassen, viel Verkehr, imposante Bauten und mittendrin das Spalentor wie ein Relikt aus vergangener Zeit – wer würde da, im Herzen der Stadt Basel, einen botanischen Garten vermuten? Mit wenigen Schritten wähnt man sich in einer anderen Welt: hohe­, alte­Bäume, blühende Pflanzen, Wasserflächen und Glashäuser. Text: ­ Bernadette ­ Reichlin; Bilder: Manuela Schwendener, Bernadette Reichlin Bruno Erny leitet den Botanischen Garten Basel seit fast 30 Jahren und hat es geschafft, die Anlage weit über Basel hinaus bekannt zu machen. Der Botanische Garten ist nicht nur eine grüne Oase; er dient den Studieren- den des Botanischen Instituts der Universität Basel auch als Versuchslabor und Beobachtungsstätte.