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Das Beste aus zwei Pflanzen

Eine neue Pflanzenart entsteht normalerweise über einen langen Zeitraum. Doch manchmal schlägt die Evolution ein schnelleres Tempo an. So entstand innert kurzer Zeit in der Innerschweiz eine neue Art des Schaumkrauts. Zürcher Forscher haben herausgefunden, wie die Entwicklung vonstatten ging.

(rp/ljo) Das Schaumkraut Cardamine insueta tauchte vor 150 Jahren im Urnerboden in der Innerschweiz auf. Zürcher Forscher haben jetzt entschlüsselt, wie genau die Entstehung vor sich ging. «Taucht eine neue Art auf, geschieht dies meist über lange Zeiträume. Das Beispiel der Pflanze Cardamine insueta zeigt allerdings, dass Evolution auch recht schnell erfolgen kann», schreibt das Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der Universität Zürich (UZH) in einer Mitteilung.
Die Entstehung dieser neuen Art des Schaumkrauts ging mit der Rodung des Urnerbodens einher. Die Pflanze entwickelte sich aus zwei Elternarten mit spezifischen ökologischen Lebensräumen: Während Cardamine amara (Bitteres Schaumkraut) in und an Wasserläufen wächst, bewohnt Cardamine rivularis (Voralpen-Wiesen-Schaumkraut) leicht feuchte Standorte. Die Umnutzung von Wald in Grasland favorisierte die Hybridisierung der beiden Vorfahren, wodurch die neue Art entstand, die zwischen den elterlichen Lebensräumen mit temporär wechselndem Wasserstand zu finden ist.
«Es ist die Kombination der genetischen Merkmale ihrer Eltern, die es der neuen Art ermöglichte, in einer bestimmten Umweltnische zu wachsen», sagt Rie Shimizu-Inatsugi vom Institut für Evolutionsbiologie und Umweltforschung der UZH. «Tatsächlich erbte Cardamine insueta einen Chromosomensatz von C. amara und zwei Chromosomensätze von C. rivularis. Sie enthält also drei Chromosomensätze, was sie zu einer sogenannten triploiden Pflanze macht.»

Evolution in Aktion
Um die Reaktionen auf die veränderte Umgebung und das Verlaufsmuster der Genexpression der drei Spezies zu analysieren, verwendete das Forschungsteam die Hochdurchsatz-Sequenzierung. Dank einem speziellen Gerät kann die Erb­information von Zellen innerhalb weniger Tage vollständig bestimmt werden.
Die Forschenden fanden heraus, dass die Genaktivität, die für zwei Elternmerkmale verantwortlich ist, der Schlüssel für das Überleben der neuen Spezies im neuen Lebensraum ist. Erstens kann sich C. insueta klonal vermehren, das heisst, sie produziert auf der Blattoberfläche kleine Ableger, die zu neuen Pflanzen heranwachsen. Die Fähigkeit zur ungeschlechtlichen vegetativen Vermehrung hat sie von C. rivularis geerbt. Da C. insueta sexuell steril ist, wäre sie ohne diese Eigenschaft nicht in der Lage gewesen, zu überleben.
Zweitens erbte C. insueta die Fähigkeit, bei unterschiedlichem Wasserstand zu überleben, von C. amara, da die für dieses Merkmal verantwortlichen Gene in beiden Arten aktiv waren. «Die Ergebnisse zeigen, dass die neue Art vorteilhafte Muster der elterlichen Genaktivität kombinierte, um zu ihrer Etablierung in einer neuen Nische innerhalb eines Wassernutzungsgefälles beizutragen. Abhängig von der Umweltsituation aktiviert die Pflanze einen unterschiedlichen Satz von Genen, den sie von ihren beiden Elternarten geerbt hat», sagt Shimizu-Inatsugi.
Cardamine insueta war für die Forscher ein Glücksfall, weil sie «die genetischen Merkmale und Umweltreaktionen einer neuen Art direkt analysieren können – Evolution in Aktion sozusagen», freut sich Shimizu-Inatsugi.

Neue Pflanzenart: Cardamine insueta ist erst vor Kurzem entstanden. Foto: UZH / Rie Shimizu-Inatsugi
Neue Pflanzenart: Cardamine insueta ist erst vor Kurzem entstanden. Foto: UZH / Rie Shimizu-Inatsugi

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